Donnerstag, 31. Oktober 2013

Rückschau: Lesung am 31. Oktober:
SARAH DIEHL
ESKIMO LIMON 9

Willkommen in Niederbrechen:
Eine jüdische Familie zieht in die hessische Provinz.
Für die alarmierte Dorfgemeinschaft stellt sich die bange Frage: Wie geht man mit den Neuen um? Während sich Ehemann Chen in die Arbeit stürzt und Ehefrau Ziggy versucht, sich mithilfe des altlinken Dorfkauzes Rainer Koffel in der neuen Heimat zurechtzufinden und ihrer eigenen Emanzipationsgeschichte nachgeht, klärt Sohn Eran seine interessierten Mitschüler darüber auf, dass die Eis am Stiel-Filme, anders als von der Dorfjugend vermutet, nicht aus Italien, sondern aus Israel kommen – wo sie Eskimo Limon heißen. Dabei tritt in einem Reigen von Missverständnissen die Wahrheit zutage: Die Deutschen wissen zwar vieles über Judenvernichtung – aber kaum etwas über Juden...

Eskimo Limon 9 ist einbemerkenswertes deutsches Buch über Juden und Israel, glaubhaft erzählt, mit vielen Details der deutsch-jüdischen Begegnungen, über die man in dieser Klarheit selten in einem Buch gelesen hat. Fabian Wolff, Jüdische Allgemeine Zeitung


© Frank Schwarz

Sarah Diehl, geboren 1978, lebt als Publizistin und Filmemacherin in Berlin und hat dort Museologie, Afrikawissenschaften und Gender Studies studiert. Sie arbeitet zum Thema reproduktive Rechte im internationalen Kontext, hat hierzu bereits zwei Anthologien herausgebracht und einen preisgekrönten Dokumentarfilm gedreht: Abortion Democracy: Poland / South Africa. Ihr Debüt-Roman Eskimo Linom 9 ist 2012 im Atrium-Verlag erschienen. Derzeit arbeitet sie an ihrem zweiten Dokumentarfilm und an ihrem nächsten Roman.

SARAH DIEHL
ESKIMO LIMON 9
am Donnerstag, 31. Oktober 2013
ab 21.00 Uhr
im ORi
Friedelstraße 8
U-Bahnhof Hermannplatz

Dienstag, 8. Oktober 2013

Rückschau: Lesung am 27. September:

IRENA BREŽNÁ
DIE UNDANKBARE FREMDE

„Wir ließen unser kleines Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Fremde“.
1968 beginnt Irena Brežnás schmaler aber hochkonzentrierter Roman, der auf engstem Raum Verletzung und Befreiung, Aufbegehren und wildes Um-Sich-Schlagen, Poesie und Versöhnung vorführt, dazu eine ganze Galerie hochdramatischer Lebensläufe und Charaktere. Dies alles in einer Sprache, in deren Poesie sich harte Fakten knirschend einschieben wie Eisenstangen in ein Getriebe.
Die Erzählerin verschlägt es in ein reiches Land, das ihr vorkommt wie ein sicherer Hafen von bizarrer Saturiertheit, Sauberkeit und Ordnung, ein von Zäunen verstelltes Paradies voller Ordnungshüter und Kehrmaschinen – zu viel Starre für ein heranwachsendes Mädchen. Schon bei der Einreise wird ihr Name vom Grenzbeamten verstümmelt, er passt nicht recht ins Schweizer System. Ein halbes Leben segelt sie gezwungenermaßen unter falscher Flagge und vermisst im kalten, gleißenden Licht der Fremde die unfreie, schmuddelige Geborgenheit der Heimat.
Dankbarkeit wird erwartet dafür, dass sie aufgenommen wurde, aber niemand kommt auf die Idee, sich dafür zu bedanken, dass sie kam. Als Heranwachsende rebelliert sie nicht nur gegen ihre Eltern, sondern vor allem gegen das fremde Gastland, das eine kleine Einheimische aus ihr machen will und sie nicht sie selbst sein lässt, sie einengt, einschränkt und kupiert. Erst ganz am Ende gelingt die Versöhnung.
Wie Mini-Romane, Kondensate paradoxen Lebens, sind Szenen durch das gesamte Buch gestreut, in denen die Erzählerin, nun bereits eingebürgert und mit ihrem Schicksal halbwegs versöhnt, als Dolmetscherin zwischen Emigranten und heimischen Behörden fungiert. Sie trifft auf eine Galerie extremer Lebensgeschichten und eine Phalanx von gestrandeten, die irgendwie versuchen, etwas aus ihrem Leben zu machen: Gauner, Selbstmörder, Depressive, Schlawiner, Kriegsflüchtlinge, Überanpasser, Idealisten und Naive.

»Es ist die brillant geschriebene Geschichte einer Identitätsfindung zwischen Anpassung und Widerstand. So schonungslos, wütend und erkenntnisreich hat noch nie eine hiesige Migrantin über ihr Dasein in der Fremde geschrieben.« Peer Teuwsen, DIE ZEIT, Schweiz

»Die bissigste der widerspenstigen Schweizer Integrationsgeschichten.« Berliner Zeitung


© Marian Strauch

Irena Brežná, geboren 1950 in der Tschechoslowakei, emigrierte 1968 in die Schweiz. Journalistin, Schriftstellerin, Slawistin, Psychologin, Menschenrechtlerin. Nach Schuppenhaut 2008 und dem autobiographisch gefärbten Roman Die beste aller Welten 2010 ist Die undankbare Fremde ihr dritter Roman. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den EMMA-Journalistinnenpreis und den Theodor-Wolff-Preis für ihre Kriegsreportagen aus Tschetschenien. Für Die undankbare Fremde, erschienen bei Galiani, wurde Irena Brežná 2012 mit dem Eidgenössischen Literaturpreis ausgezeichnet.

IRENA BREŽNÁ
DIE UNDANKBARE FREMDE
am Freitag, 27. September 2013
ab 21.00 Uhr
im ORi
Friedelstraße 8
U-Bahnhof Hermannplatz

Mit Unterstützung von Pro Helvetia
Schweizer Kulturstiftung


Rückschau: Lesung am 19. September: Das NaRr - Schweizer Kochkunst live gelesen

Das NaRr:
Ein garstiger Herbstmorgen. Drei Studenten der Germanistik stehen nach einer Goethe-Vorlesung im nassen Wind, rauchen und diskutieren über die junge Schweizer Literaturszene. Es fehlen Möglichkeiten zum Austausch und Veröffentlichen - die Lösung: ein neues Literaturmagazin, das jungen Autorinnen und Autoren eine Plattform bietet, Lesungen organisiert und bei der Vernetzung hilft. So gründen Lukas Gloor, René Frauchiger und Daniel Kissling das NaRr: im Sommer 2011 erscheint die erste Ausgabe, über 100 Autorinnen und Autoren aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und der Türkei hat das NaRr seither in acht Ausgaben veröffentlicht.

Im Winter 2012 erschien die erste Sondernummer, das NaRr Koch Les Buch. 21 AutorInnen schrieben frische Texte zu 21 virtuosen, von zwei Köchinnen eigens kreierten Rezepten. Die Idee dahinter: Beim Kochen entstehen Wartezeiten. Das Hühnchen muss garen, der Teig aufgehen, die Sauce kalt werden. Was tun in dieser Zeit? Lesen! Finanziert durch Crowdfunding hat sich das literarisch-kulinarische Experiment bis anhin im Eigenvertrieb rund 500 Mal verkauft!

Und auch 2013 wagt das NaRr sich in neue Gefilde vor, will junge Literatur noch mehr mit dem Alltag verknüpfen. Das Instrument dazu soll die NaRrgenda 2014 sein. Ein Buch, das einen das ganze Jahr über begleiten soll, das man immer dabei, in das man seine Termine schreibt und in dem man liest, wenn man gerade Zeit hat. Die NaRrgenda wurde wiederum via Crowdfunding finanziert und erscheint im Oktober 2014.

Die Lesenden:

Kristina Schippling, geboren 1983 in Halle/Saale, Doktorandin an der Martin-Luther-Universität Halle und nebenberuflich freischaffende Künstlerin - Schriftstellerin, Schauspielerin und Regisseurin. Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften. Ihr literarisches Debüt Meine drei Gesichter erschien beim Mitteldeutschen Verlag.

Doris Wirth, 1981 in Zürich geboren, wohnhaft in Berlin, studierte Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie. Ihre Erzählungen wurden mehrfach ausgezeichnet und in Magazinen und Anthologien veröffentlicht, zuletzt When we were walking in der Literaturzeitschrift SALZ. Im Herbst 2012 ist sie Stadtschreiberin in Rottweil. Im April erschien ihr Erzählband Ausgekippt im All.

Jan Decker, 1977 in Kassel geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er schrieb Theaterstücke mit Uraufführungen am Staatstheater Nürnberg und dem Theater Vorpommern sowie zahlreiche Hörspiele und Features. 2012 Spreewald-Literatur-Stipendium und Literaturpreis Prenzlauer Berg. Sein Buch Eckermann erschien im selben Jahr mit Zeichnungen von Kay Voigtmann in der Edition Ornament.

Clemens Schittko, 1978 in Berlin/DDR geboren, ist ausgebildeter Gebäudereiniger und Verlagskaufmann. Nach einem abgebrochenen Studium der Literatur-, Musikwissenschaft und Philosophie arbeitete er u.a. als Fensterputzer und Lektor. Seine Lyrik wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Lauter niemand preis für politische Lyrik 2010. Neben unzähligen Veröffentlichungen in Literaturmagazinen, -zeitschriften und Anthologien sind von ihm u.a. bisher erschienen: Und ginge es demokratisch zu, Manifest der Nachhut und Who is who / is who or what.

Rüdiger Saß, geboren 1966, Soziologe, wohnhaft in Hamburg, zuletzt erschienen: Das nervöse Zeitalter.

Daniel Kissling, geboren 1987, seit Februar 2013 Geschäftsleiter des Kulturlokals gleich hinter dem Bahnhof Olten. 2011 gründete er gemeinsam mit René Frauchiger und Lukas Gloor das Literaturmagazin „NaRr“. Daniel Kissling betätigt sich als Kulturveranstalter, Musikjournalist beim Online-Magazin Metal Factory, Buchtipp-Geber beim Oltner Kulturmagazin KOLT, schreibt Prosa, vornehmlich Kurzgeschichten, Miniaturen und Kolumnen, und mixt Drinks.

Das NaRr Koch Les Buch im ORi Berlin
Schweizer Kochkunst live gelesen
am Donnerstag, 19. September 2013
ab 21.00 Uhr
im ORi
Friedelstraße 8
U-Bahnhof Hermannplatz