Dienstag, 29. April 2014

Rückschau: Lesung am 15. Mai:
ALBERT TULLIO LIEBERG
MUSTANG-PIT 38

Das Rohr war innen völlig verrußt, was alles andere als angenehm war. Nach der zweiten Gabelung, die ich ebenso wie die erste in gerader Richtung überquert hatte, wurde es an einer Stelle schwierig. Eine ölige Masse, in die winzige Metallspäne vermischt waren, blockierte das Weiterkommen. Es dauerte einen halben Tag, bis ich mit meinen Vorderbeinen, ganz vorsichtig ein so großes Loch freigelegt hatte, dass ich hindurchkriechen konnte. Nach einem weiteren Tag hatte ich immer noch nicht ausmachen können, wo der Ausgang war. Ich hätte versuchen können, wieder zurückzulaufen, um den ursprünglichen Eingang wiederzufinden, aber das hätte mein Problem nicht gelöst. Ich wäre dann zwar wieder frei gewesen, aber irgendwann hätte ich doch wieder in das Rohr gemusst. Also beschloss ich weiterzulaufen. Das Rohr machte jetzt eine leichte Rechtsbiegung. Die Reste einer verwesenden Küchenschabe ließen mich zweifeln...

Albert Tullio Lieberg, Sohn eines estländischen Vaters und einer italienischen Mutter, wird in Mailand geboren. Er wächst im Ruhrgebiet auf - Gelegenheitsjobs und Sänger einer Punkrockband. Nach dem Diplom in Soziologie und Wirtschaft an der Universität München, beendet er in London das Studium des lyrischen Gesangs. Auch nach seiner Ausbildung arbeitet er immer wieder als Statist und Schauspieler für Theater und Film, als Kellner und Barmann, als Zeitungsbote, in Gärtnereien, als Landarbeiter auf Plantagen und als Montagearbeiter in Stahlwerken. In den neunziger Jahren zieht er nach Rom, später nach Barcelona, heute lebt er meist in Berlin. Seit vielen Jahren ist er immer wieder als Entwicklungsberater in Krisengebieten tätig. Er schreibt Romane, Erzählungen, und Kurztexte.

ALBERT TULLIO LIEBERG
MUSTANG-PIT 38
am Donnerstag, 15. Mai 2014
ab 21.00 Uhr
im ORi
Friedelstraße 8
U-Bahnhof Hermannplatz